Tschechien gehört zu den hochindustrialisierten Ländern Europas. Der Schwerpunkt liegt auf der Automobilindustrie, die vor großen Herausforderungen steht.
Auf den Sprung Tschechiens in die Marktwirtschaft vor dreißig Jahren folgte ein Strukturwandel.
Sektoren: Strukturwandel auch durch Direktinvestitionen
Der Anteil der Landwirtschaft an der Bruttowertschöpfung hat sich halbiert. Kaum noch eine Rolle spielt die Kohleförderung. Das Gewicht der Eisen- und Stahlproduktion sank auf 0,8 Prozent. Heute ist es die Fahrzeugindustrie, die den Ton angibt. Ihr Anteil hat sich auf 5,7 Prozent der Bruttowertschöpfung mehr als verdreifacht.
Zur raschen wirtschaftlichen Transformation trug die Öffnung für ausländische Direktinvestoren bei. Der Wertschöpfungsbeitrag von Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, die aus dem Ausland kontrolliert werden, ist in Tschechien mit über 40 Prozent sehr ausgeprägt. Laut dem Europäischen Statistikamt Eurostat verzeichnen innerhalb der Europäischen Union (EU) nur Irland, Ungarn, Luxemburg, die Slowakei und Rumänien höhere Werte. Nicht eingerechnet wird dabei der Finanzsektor.
Verarbeitendes Gewerbe: Dominanz der Autobranche birgt Risiken
Ein Fünftel der Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes lieferten 2018 die Kraftfahrzeug- und Kfz-Teilehersteller. Weitere Zugpferde, zum Teil mit Bezug zur Autobranche, sind Elektronik und Elektrotechnik (14 Prozent), die Herstellung von Metallerzeugnissen (11 Prozent), Maschinenbau und Lebensmittelindustrie (je 9 Prozent), Gummi- und Kunststoffverarbeitung (7 Prozent).
Die Dominanz des Automotive-Sektors birgt angesichts des aktuellen Transformationsdrucks Risiken, aber auch Chancen. Den Unternehmen muss der Umbruch zu emissionsfreien oder -ärmeren Antrieben gelingen, was auch für den Zuliefersektor Folgen haben wird. Als fünftgrößter Pkw-Hersteller in der EU sind in Tschechien rund 170.000 Arbeitsplätze direkt mit der Kfz-Industrie verbunden.
Die Branche Elektronik und Elektrotechnik wächst mit dem Digitalisierungstrend. Umsatzstarke Segmente sind die Herstellung von Computern, Elektromotoren, Unterhaltungselektronik, Mess- und Kontrolltechnik. Eine starke Position hat traditionell der Maschinenbau, besonders durch Kraftwerksausrüstungen, Schienenfahrzeuge, Werkzeugmaschinen, Heiz- und Kühltechnik.
Dienstleistungen: Wachsende Wertschöpfung bei Handel und IT-Diensten
Steigende Löhne und wachsende Kaufkraft stärken die Position des Handels. Dazu gehört auch die rasante Entwicklung des E-Commerce. Die Bedeutung der Informationstechnik (IT)-Dienstleistungen wächst. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich ihre Produktion verdoppelt. Tschechische Programmierer sind spezialisiert auf Anti-Viren- und Gaming-Software. Stabil entwickelt sich der Transport- und Logistiksektor. Böhmen und Mähren sind aufgrund der zentralen Lage in Europa beliebte Standorte, auch für internationale Handelskonzerne, die dort ihre europäischen E-Commerce-Aktivitäten organisieren.
In der Energiewirtschaft setzt der Staat auf einen Ausbau der Kernkraft. Zugleich besteht die EU-Kommission darauf, dass sich die Länder bis 2030 neue Energie- und Klimaziele stecken. Das erfordert einen höheren Anteil erneuerbarer Quellen am Bruttoendenergieverbrauch. Aktuell liegt dieser in Tschechien bei 14,8 Prozent. Bis 2030 sollen es laut dem Entwurf des Plans für Energetik und Klima 20,8 Prozent sein.
Regionen: Tschechien ist weit mehr als seine Hauptstadt
Prag erwirtschaftet ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts und ist unangefochtenes Verwaltungs-, Dienstleistungs- und Tourismuszentrum. Die industriellen Schwerpunkte aber finden sich um Ostrava, Plzen und Brno. Mittelböhmen als die Hauptstadt umgebende Region ist Schwerpunkt des Logistiksektors, aber auch der Autoindustrie. Südmähren, Mittelböhmen und Mährisch-Schlesien stemmen mit jeweils rund 10 Prozent ebenfalls beachtliche Teile der Wirtschaftsleistung. Das regionale Gefälle ist dadurch nicht so hoch.
Brno profitiert als zweitgrößte Stadt des Landes von einer ausgeprägten Hochschullandschaft und staatlich geförderten Technologiezentren. Die südmährische Metropole ist der wichtigste Messestandort Mittelosteuropas, innovationsfreundlich und ein Start-up-Pflaster. Einige der führenden Softwareproduzenten haben in Brno ihren Sitz. Außerdem ist die Region ein Zentrum der Elektronik- und Flugzeugindustrie.
Die Industriestadt Ostrava steckt, wie die gesamte Region Mährisch-Schlesien, im Strukturwandel - weg von Kohle und Stahl, hin zu Dienstleistungen und neuen Technologien. In ähnlich schwieriger Transformation befinden sich die Regionen Usti nad Labem und Karlovy Vary. Für die drei Regionen besteht das Sonderkonjunkturprogramm RE:START. Bis 2030 könnten sie über 2 Milliarden Euro an Zuschüssen erhalten, etwa zur Emissionssenkung, Altlastensanierung, Modernisierung von Krankenhäusern oder für Forschungsaktivitäten und Firmengründungen.
Autor: Miriam Neubert (September 2019)